Tagebuch - Christoph & Lollo

Dezember 2004:

  • 07.12.04.: Cueva, Langenwang
    Hier waren wir schon einmal, nämlich vor genau einem Jahr, das kann man im entsprechenden Tagebucheintrag nachlesen. Auch dieses Jahr wurden wir zur Beschallung der Rauhnacht eingeladen. Das Cueva war nicht allzu schwer zu finden, wir wussten, dass es da einen Eislaufplatz zur Orientierung gibt. Auch unser Quartier mit dem Hansi-Hinterseer-Poster war uns noch in guter Erinnerung, der gutmütige Kampfhund kam uns aber neu vor. Die Cueva-Belegschaft begrüßte uns sehr freundlich, während die Dekoration gerade ihren Feinschliff bekam. Auf der Suche nach Abendessen stießen wir auf geschlossene Lokale ringsum. Wir fanden trotzdem was.
    Als der große, leuchtende Gummibär des überaus netten Tonmeisters uns das Zeichen gab, langsam die Bühne zu betreten, fiel uns auf, dass dieses Jahr nicht ganz so viele Leute gekommen waren. Und als wir dann eine Weile lang gespielt und gesungen hatten, fiel uns auf, dass das heute wieder ein eher mieser Auftritt werden würde. Einige Zeit später, als wir bemerkten, dass wir den Kontakt zum Publikum bereits größtenteils verloren hatten, begann unsere Leistung dann so richtig abzusacken. So ein Konzert ist bei uns ja doch immer ein Wechselspiel zwischen Bühne und Publikum. Manchmal zum Beispiel sind die Leute so unaufmerksam, dass es egal ist, was wir auf der Bühne machen. Dann gibt es Abende, an denen ist die crowd so begeistert, dass es erst recht wurscht ist, was wir tun. Manchmal sind wir so katastrophal chaotisch, dass auch das wohlwollendste Publikum die Geduld verliert. Manchmal sitzt das Publikum verklemmt auf Theatersesseln, nuckelt an Mineralwasser und erwartet eine besinnliche Musikkabarettrevue. Andere Male stehen vor uns dreihundert besoffene Punkrocker, die mit von Whiskey gegerbter Stimme Fuuunaaaaakiiiiiii! fordern. Da muss man sich einstellen können! Naja, heute waren wir auf jeden Fall schlecht, da braucht man nicht groß herumzureden.
    Nach dem Konzert war´s dafür noch sehr nett. Es gab allerlei Getränke, zum Beispiel etwas Heißes in essbaren Bechern (die vermutlich nicht wirklich essbar waren). Und außerdem gab es einen Keller, in dem zwei begnadete Musiker sich gerade an einem sehr, sehr dicken Liederbuch abarbeiteten. Rundherum saßen Leute auf Heurigenbänken und sangen mit. Wir reihten uns sofort in den Chor ein. Der Gitarrist war offensichtlich ein Profi, der jedes gewünschte Lied spielen konnte, und zwar gut auch noch. Der Sänger war ebenfalls ein amtlicher Rocker, wurde von uns jedoch spätestens bei Bohemian Rhapsody rücksichtslos in den Hintergrund gebrüllt. Wir fühlten uns wie auf einem Pfadfinderlager, aber trotzdem gut. Irgendwann bemerkten wir überrascht, dass das Cueva-Personal bereits seit Stunden versuchte, die letzten Gäste los zu werden. Also lallten wir noch die letzten Gespräche zu Ende (es ging in dieser Nacht übrigens hauptsächlich um Pullover) und fielen in unsere Betten.
    Dann war Frühstück. Das war auch gut.
    Die schlechten Fotos unten sind aus Lollos Handtelefon. Gute Bilder gibt es auf der Cueva-website, genau genommen hier.
             

  • 17.12.04: Gasthaus Höller, St. Peter am Wimberg
    Unser Beruf, das Schispringerliederundsonstigenquatschsingen, bringt uns immer wieder in Gegenden, in denen wir vorher noch nie waren. Diesmal verschlug es uns nach St. Peter am Wimberg, wo das Gasthaus Höller uns eingeladen hatte. Toller Schuppen! Oben gemütliches Gasthaus, unten Disco und Konzertbühne, daneben Pension mit funktionierenden Duschen - was will man mehr? Freundliche Menschen begrüßen uns und bieten uns koffeinhältige Warmgetränke an. Far Away Town bauen ein Schlagzeug und große Verstärker auf. Kurzer Soundcheck. Kurz Ausruhen. Abends dann ab in den Keller.
    Far Away Town spielten gerade einen Punkrockkracher nach dem anderen, und die anwesenden, durchwegs jungen, Leute, standen herum, tanzten oder benutzten ihre Gürtel zum Luft- bzw. Gürtel-Gitarre-Spielen. Die Bühne im Höller ist übrigens 1A und bietet guten Ton und geiles Licht. Vor unserem Auftritt hatten wir ein bisschen Angst. Der gelang dann, falls die Erinnerung nicht trübt, eher so lala. Unser Soundcheck mit dem durch Nirvana bekannt gewordenen amerikanischen Volkslied war jedenfalls besser als das folgende Konzert. Trotzdem gab es viel Mitgesinge und Freundlichkeit. Auch die anwesende Turbojugend tat uns nix. Als wir Funaki singen wollten, fiel uns auf, dass die entsprechenden Textzettel mit den ca. 40 Strophen nicht mehr da waren. Verdammt! Die wurden uns vermutlich eine Woche vorher im Cueva gestohlen! Dieses Problem wird uns in den folgenden Wochen und Monaten noch verfolgen, manche (insbesondere die neueren) Strophen sind vielleicht für immer verloren. Wäre nicht das erste Mal. Aber vielleicht sind die Diebe ja so freundlich, uns Kopien zu senden. Naja, vermutlich nicht.
    Später, in der Nacht, war es auch noch sehr gemütlich. Wir tauschten mit Far Away Town T-Shirts und bewunderten deren Setlist. Diese Setlist war die gründlichste und informativste, die wir je gesehen hatten! Dann besuchten wir den Tischfußballtisch und tranken Milch mit Alkohol. Wir führten interessante und unterhaltsame Gespräche mit vielen Menschen, die wir teilweise schon von anderen Gelegenheiten kannten. Außerdem wurden wir gebeten, einen Schuh zu beschriften. Als wir dann ins Bett fielen und die Augen schlossen, mussten wir auch schon wieder aufspringen und frühstücken.
    Fotos vom Abend gibt es auf der Höller-website

  • 18.12.04: Jugendzentrum, Mattighofen
    Beim Frühstück im Höller diskutierten wir, wie wir nach Mattighofen fahren sollten. Mattighofen ist zwar nicht weit von St. Peter entfernt, aber der Weg ist äußerst umständlich und kompliziert - der Ausdruck vom Internet-Routenplaner war acht Seiten lang! Wir ließen uns von den immer noch freundlichen Höllermenschen zu einer leicht veränderten Route raten. Diese führte uns malerisch über verschneite Berge und durch winterliche Wälder, und streckenweise mussten wir im Schritttempo fahren, es war nämlich ganz furchtbar glatt. Ab und zu kamen wir an schräg stehenden Autos vorbei, die an der Spitze abenteuerlicher Bremsspuren standen und deren bleiche Fahrer mit vom Schreck geweiteten Augen einen Schluck vom Flachmann nahmen. Wir rutschten auch ein bisschen, unser Kindermädchen, Sozialarbeiter, Tourmanager und Transportbeauftragter Andi brachte uns aber trotz widriger Umstände ans Ziel. Als wir im Jugendzentrum Mattighofen ankamen und den Ansässigen unseren Weg beschrieben, machten die große Augen, lachten und sagten "Den Weg fahren wir ja nicht einmal im Sommer!". Allgemeine Bewunderung ob der kühnen Streckenwahl bei winterlichen Verhältnissen wurde uns entgegengebracht, während Herr Nagl uns Fragen stellte, die wir beantworteten, zwischen den einzelnen Bissen von unseren Pizze.
    Das war heute übrigens ein Benefizkonzert namens Stille Macht, das von Attac Braunau veranstaltet wurde, und dessen Erlös für die Krisenregion Darfur gespendet wurde. Es gab fair gehandelte Säfte und Süßigkeiten. Und es gab unglaublich viel Musik! Wir haben vergessen, wie viele Bands das waren und auch wie sie hießen, außer bei der einen, die hatte keinen Namen. Es war alles ziemlich unplugged und es gab tolle Barhocker auf der Bühne. Leute waren auch da, gar nicht so wenige. Auch ein freundlicher Herr, der extra aus Bayern angereist war. Und eine junge Dame, die bereits gestern beim Höller dabei gewesen war. Was die Nichterfüllung geäußerter Liedwünsche betrifft, waren wir ziemlich konsequent, sogar den Funaki haben wir ausgelassen. Dafür haben wir anderen Blödsinn gemacht.
    Später machten auch noch viele andere Menschen Musik. Der Backstageraum war mittlerweile gut gefüllt, und während auf der Bühne Reggae ertönte, wurden nebenan Beatles-Lieder gesungen. Auch hier wieder sehr nette und gut gelaunte Menschen. Man behandelte uns besser als wir es verdienten und schenkte uns sogar Schokolade! Und übrigens: Das war das schönste Jugendzentrum, das wir je gesehen haben.
    Impressionen von der Reise...
                 

  • 20.12.04: Chelsea, Wien
    In der Winterzeit im Chelsea ein Konzert zu geben, ist für uns auch schon so was wie eine Tradition geworden. Ein Teil dieser Tradition ist auch die Frage, bei welcher U6-Station man aussteigen muss, um dort hin zu kommen. Um das hier festzuhalten: Vom Süden kommend, steigt man bei der Thaliastrasse aus und geht noch ein Stückerl nordwärts. Der Soundcheck wurde heute besonders sorgfältig durchgeführt, schließlich war der Mann vom Ton neu. Der mischt normalerweise hochklassigen Alte-Männer-Jazz ab, wie wir erfuhren. An diesem Abend aber uns. Armer Mann! Wenn die Erinnerung nicht gerade am Trügen ist, dann waren wir diesmal so schlau, nach dem Soundcheck nach Hause zu fahren, und erst kurz vor Konzertbeginn wieder zu kommen, das ersparte uns das Nerven zerfetzende Warten im unbequemen Backstageraum.
    Voll war es. Sehr voll. Wir gingen vor zur Bühne, da fiel uns schon auf, dass heute eine einzigartige Stimmung herrschte. Normalerweise ist das Chelsea-Publikum nämlich übermütig, laut, aktiv, mitteilungsbedürftig und rock´n´rollig. Heute nicht. Heute war das Chelsea-Publikum ruhig, konzentriert, aufmerksam und andächtig. Wir spielten die ersten paar Lieder, da bemerkten wir es: keine Schreierei, kein Pfeifen, keine Geburtstagswunschwünsche. Die Leute waren ganz still und hörten auf jedes Wort und jeden Ton. Toll, ein konzentriertes Publikum, dachten wir uns, da spielen wir denen doch gleich ein paar neue Lieder vor. Die Leute hörten immer noch aufmerksam zu. Dann spielten wir alte Lieder, dann Coverversionen, dann Blödsinn. Die Leute waren noch immer aufnahmefähig und wollten mehr. Lächelnd standen sie da und hörten uns zu. Ein stehendes Sitzpublikum, eigentlich. Eher schlechter Umsatz für die Bar, vermutlich. Wir fühlten uns wohl und machten weiter. Irgendwann schob uns dann unser Chef einen Zettel auf die Bühne, auf dem stand, dass wir jetzt schon dreieinhalb Stunden lang auf der Bühne wären und ruhig einmal ans Aufhören denken dürften. Dann spielten wir noch ein paar Lieder, dann noch ein paar, und dann hörten wir auf, müde, erschöpft und froh. Eigentlich eine sehr zufrieden stellende Leistung heute. Wahrscheinlich unser bestes Konzert 2004.
    Nach uns legte dann auch noch der ehemalige Rapidler Michi Hatz auf, davon bekamen wir aber nicht mehr allzu viel mit. Wir saßen im unbequemen Backstageraum und unterhielten uns mit einem Mann aus Los Angeles, der über Christl Stürmer lästerte. Das fanden wir ja noch ganz lustig, aber als er uns dann erzählen wollte, dass AC/DC und Led Zeppelin Amerikaner wären, machten wir uns auf den Weg nach Hause. Man muss sich ja nicht jeden Unsinn anhören.

  • 23.12.04: Arcadium, Graz
    Vor einiger Zeit trafen wir uns mit den Kollegen von Petsch Moser, um die überaus grandiose Buckelpistenwüstenrockversion von Ari-Pekka Nikkola einzuüben und gemeinsame Pläne zu schmieden. Da erfuhren wir, dass die bald in Graz spielen würden. Schön für euch, sagten wir, wir waren da schon sehr lang nicht mehr. Aus irgendwelchen Gründen gelang es unseren Chefitäten in den letzten Jahren nämlich nur selten, Grazer Veranstalter für uns zu finden. Im weit entfernten Schweizer St. Gallen zum Beispiel hatten wir bereits mehr Auftritte als in der vergleichsweise nahe gelegenen steirischen Hauptstadt. Dieses unser Leid klagten wir also den Pemos, da sagten die: Na dann kommt´s doch einfach mit! ... Wie, echt?, sagten wir. Ja, echt, antworteten sie, und ein paar Tage später standen wir mit unserer Gitarre vorm Petsch-Moser-Proberaum und freuten uns auf die Reise.
    Unser Ziel war das Arcadium Graz, ein uns bis daher unbekannter Ort mit sehr origineller Backstageräumlichkeit und freundlichen Leuten. Wir besuchten den Radiosender Soundportal und machten ein bisschen Blödsinn. Wir bekamen Kaffee und warmes Essen. Es gab noch eine dritte Band heute Abend, die aber als erste auftrat, die waren Naiv und machten rockige Rockmusik. Dann kamen wir dran. Beinhartes Vorbandprogramm war unsere heutige Devise: Die Leute so richtig für die Hauptband anheizen, ein Hit nach dem anderen, keine Längen, den Schwung den Naiv in die Halle gezaubert hatten, noch verstärken und den Moser-Petscherln ein vor Erregung tropfendes Publikum hinterlassen. Wir taten was wir konnten. Gute Laune im Saal. Solide Leistung unsererseits, flockiges und konzentriertes Spiel, nicht übermäßig inspiriert, kein Wille zur völligen Verausgabung, aber für ein Freundschaftsmatch durchaus ausreichend. Petsch Moser gaben dann noch alles. Großes Gefühl, schöne Musik. Wir alte Männer blickten zufrieden zu den Buben hoch, die wir vor fast 2 Jahren schon auf einer Tournee begleitet hatten. We´ve come a long way, baby. Es wurde immer heißer herinnen und irgendwann war´s aus. Dann noch Small-Talk mit wechselnden Partnern. Dazwischen benutzten wir ab und zu die Damentoilette, die Klo-Situation im Arcadium war nämlich eher traurig.
    Erwähnenswert ist auch noch, dass die Petschinger-Partie auch ein hochsympathisches und kompetentes Rock´n´Roll-Team mit sich mithat: Senxti, the sexiest merchman alive. Gerry, den Teenie-Psychologen unter Österreichs obersten Tontechnikern. Die stets ruhigen und klugen Spinki und Kollege (Tschuldigung, schon wieder Name vergessen). Und dann noch der überaus Rock´n´Roll-erfahrene Schurli, der spät in der Nacht noch die Nerven und den Magen hatte, uns sicher nach Hause zu führen, weil Weihnachten nur noch ein paar Stunden entfernt war. Netter Ausflug, könnten wir wieder machen.
    Nächtliche Heimreise...
         

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